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Wasser an die Börse?
Bericht der Münchner Lokalberichte zur Vortragsveranstaltung mit Sebastian Schönauer am 21.05.2001

Knapp 40 Interessierte kamen am 21. Mai ins Gewerkschaftshaus, um auf Einladung des Vereins "Gegenentwurf — Für eine solidarische Gesellschaft" mit Sebastian Schönauer, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) über die Privatisierung der kommunalen Trinkwasserversorgung zu diskutieren. Schönauer, außerdem Landesvorsitzender der Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung in Bayern, SPD-Mitglied und seit fast 30 Jahren Bürgermeister einer kleinen Gemeinde im Spessart, schilderte eingangs die Begehrlichkeiten, die die Wasserversorgung bei multinationalen Unternehmen erwecke. Schlagzeilen wie "Wasser — das blaue Gold der Zukunft", "Nasses Gold" oder "Die Wasserversorgung wird zum Milliardengeschäft" in der Wirtschaftswoche und ähnlichen Blättern, sowie der Umstand, dass beispielsweise e-on bereits Rücklagen von 40 Milliarden Euro gebildet hat, verdeutlichten den Ernst der Lage. Auch die EU-Richtlinie "Monopole verbieten, Wettbewerb stärken" drängt in diese Richtung, allerdings plane die zuständige Kommission keine Liberalisierung der Wasserversorgung nach dem Vorbild des Energiemarktes. "Doch gibt es inzwischen auch den deutlichen Hinweis aus Brüssel, dass sich die EU-Kommission umgehend mit der Liberalisierung des Wassermarktes in Europa beschäftigen würde, wenn dies z.B. die deutsche Bundesregierung dort beantragen würde", so Schönauer. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) positioniere sich zugleich sehr klar für die Privatisierung der Wasserversorgung. Er wolle sich u.a. dafür einsetzen, dass zumindest die Verfassungskonformität solcher Maßnahmen geprüft werde. Denn dazu müßte Art. 28 GG ausgehebelt werden , in dem es heißt: "Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln."

Um seine Privatisierungspläne zu fördern, setze das BMWi bewußt falsche Behauptungen in die Welt, wie etwa, dass die kleinen kommunalen Wasserversorger Zuschußunternehmen seien und zitiere nicht existierende Voten von Umweltverbänden, die "eine sorgfältige und fundierte Vorbereitung weiterer Schritte als Vorbedingung einer Marktöffnung" fordern würden — die Schönauer im Namen des BUND grundsätzlich ablehnt und dies bei vielen Gelegenheiten auch dem BMWi zur Kenntnis gebracht hatte.

Am Beispiel seiner eigenen Kommune, die seit 31.12.1999 schuldenfrei ist, zeigte er die Vorteile kleiner kommunaler Versorger auf. Mit DM 4.80 pro m3 sei der Preis für das Wasser gering und die Qualität hoch. Trotz der geringen Steuereinnahmen seiner Kommune seien die Anlagen gut in Schuß und das Klärwerk könne demnächst nachgerüstet werden. Die Kindergärten, die seine Gemeinde stelle, würden inzwischen auch von Menschen benachbarter Gemeinden genutzt, die wie viele andere nach den kurzfristigen Einnahmen durch den Verkauf ihres Tafelsilbers nun mit pro-Kopf-Schulden von 2 - 5000.- DM dastünden.

Sein Engagement im bayerischen Gemeindetag, so Schönauer, habe immerhin einige inhaltliche Positionen gefestigt und zumindest in Proklamationen habe sich der Gemeindetag zu begrüßenswerten Urteilen entschlossen. Im Herbst 2000 habe der bayerische Landtag einen Beschluß zum Erhalt der kommunalen Wasser- und Abwasserversorgung erlassen. Obwohl immer wieder behauptet würde, den Kommunen schwämmen die Felle davon und der Zug sei schon abgefahren und obwohl er auch von seinen eigenen Fraktionskollegen oft frustriert würde, es gebe keine Chance mehr, die Privatisierung aufzuhalten, glaube er an die Möglichkeit, etwas zu ändern. Resignation und Hoffnungslosigkeit seien die eigentliche Gefahr, so Schönauer.

Die Mittel, mit denen private Wasserkonzerne noch billigere Preise anbieten würden, seien in erster Linie Verschlechterung der Wasserqualität, Verwahrlosung des Leitungssystems sowie Entlassungen. Dies konnte Schönauer am Beispiel Großbritanniens belegen, wo die Privatisierung bereits unter Thatcher durchgeführt wurde. Zunächst hätten sich die multinationalen Konzerne Ausnahmegenehmigungen von den (glücklicherweise sehr strengen EU-) Trinkwasserqualitätsregelungen besorgt. 150000 Arbeitsplätze seien in den nächsten Jahren abgebaut worden. Inzwischen lägen die Wasserverluste durch das Leitungssystem in GB bei 35% gegenüber 7% in der BRD. Dagegen konnten die Konzerne in den ersten vier Jahren Gewinnsteigerungen von über 500% verzeichnen. Scharfe Worte fand Schönauer deshalb für "diejenigen PR-Agenten, Lobbyisten und Profitgeier, die sich für die Privatisierung der Wasserversorgung in Deutschland aussprechen".

Zusätzlich würden immer wieder Kommunen bei der Ausgestaltung der Verträge von den Konzernen übertölpelt. Obwohl beispielsweise Berlin für horrende Summen Notare mit der Vertragsgestaltung für den anteiligen (50%) Verkauf der Wasserversorgung beauftragt habe, würden sich nun gravierende Fehler heraus stellen. In Berlin seien schon seit langer Zeit Genehmigungen für Bauwerke erteilt worden, die im Grundwasser stehen, ohne entsprechende Konstruktionen (Wannen) einzufordern, da durch die Bepumpung durch die Wasserwerke der Grundwasserspiegel weit genug abgesenkt wurde. Aber die privaten Teilhaber hätten den Aquifer nicht mehr bepumpt, als zum Verkauf notwendig gewesen sei, was dazu geführt habe, dass durch den Anstieg des Pegels Grundwasser in Gebäude eingedrungen sei. Nun müsse die Stadt den Konzern für das Abpumpen nicht verkaufter Wassermengen bezahlen. Auch aus Frankreich gebe es ähnliche Beispiele. In Grenoble habe die Stadt dem privaten Wasserversorger "Suez/Lyonnaise des Eaux" nach zehn Jahren gekündigt und die Versorgung wieder selbst übernommen, u.a. da der Vertrag durch Bestechung zustande gekommen war. Schönauers Resümee: Überall dort, wo die Wasserversorgung dem "freien Spiel der Kräfte" und damit dem brutalen Kampf um möglichst hohe Profite überlassen worden ist, sind Mangelwirtschaft, Qualitätsminderung und exorbitante (Wucher-)Preise das Ergebnis.

In Anbetracht all dieser Tatsachen ist es um so erstaunlicher, mit welcher Beharrlichkeit vom BMWi und den interessierten Konzernen die Effizienz der privaten Unternehmen gepredigt wird. In diesem Zusammenhang begrüßte Schönauer ausdrücklich die Kampagne der Stadtwerke München für das Münchner Trinkwasser. Solche Imagekampagnen seien dringendst nötig, auch wenn dadurch Konflikte mit dem Bonner Verband der Mineralwasser-Lobby entstanden wären. Denn wozu solle man kistenweise Mineralwasser durch die Gegend schleppen, wenn das beste Wasser direkt aus der Leitung käme? Zur Wasserqualität äußerte Schönauer Kritik an der Pestizidindustrie, die die guten EU-Bestimmungen als "Sauberstwert" diskreditiere und mit massivem Arbeitsplatzverlust drohe, würden diese nicht gelockert. Ein Problem sei, dass die Trinkwassererzeuger kaum Einfluß auf den Schadstoffeintrag durch Industrie und Landwirtschaft hätten.

Auf das schärfste verurteilte Schönauer eine Wirtschafts- und Lebensweise der "Spaß- und Fun-Gesellschaft" und des "Nach mir die Sintflut", die alle Folgen und Probleme auf unsere Kinder und Enkel abwälze. Statt dessen propagierte er eine nachhaltige und umweltverträgliche Wirtschaftsweise. Offensichtlich schätzte er jedoch die Profitinteressen der "internationalen Multis" als dem entgegengesetzt ein. Wer diesen "das kommunale Tafelsilber" überlasse, schwäche nicht nur die Kommunen, sondern gebe wissentlich die Rechte an unseren wichtigsten Lebensgrundlagen auf und gefährde auf Dauer die "Volksgesundheit". Wohl deshalb erklärte Schönauer seine Solidarität mit dem Kampf gegen die internationalen Finanzorganisationen in Seattle, Prag oder Davos. Obwohl dieser keine Siege vorweisen könne, so sei es doch sehr wichtig, dass er das Problem und die Verursacher wenigstens sichtbar mache. Viel Beifall und breite Zustimmung in der Diskussion erhielt der Referent von den leider nicht sehr zahlreichen Teilnehmern.

 
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