Elmar Schmähling, Flottillenadmiral a.D.,
    über die Einbettung der derzeitigen Militarisierungstendenzen in das jeweilige Hegemoniestreben der führenden westlichen Industrienationen

    S. hat als Experte sowohl im Vorbereitungs- und Durchführungskommitee des europäischen internationalen Tribunals über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien mitgemacht als auch beim amerikanischen Tribunal. Die jeweiligen Spruchkörper der Tribunale, die am 3. bzw. 10. Juni 2000 in Berlin bzw. New York stattgefunden haben, haben einstimmig die NATO-Staaten und ihre Repräsentanten für schuldig befunden, einen völkerrechtswidrigen Krieg geführt zu haben und in diesem Krieg in zahlreichen dokumentierten Fällen gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen zu haben. Strafen sind keine ausgesprochen worden und überhaupt war das Tribunal ja nur eine Art Ersatzhandlung, um überhaupt ein Podium für die Aufarbeitung dieses Krieges zu haben, nachdem das dafür eingesetzte Kriegsverbrechertribunal in Den Haag seine Aufgabe nicht wahrgenommen hat, alle, die an diesem Krieg beteiligt waren - NATO und Jugoslawien - gleichermaßen auf den Prüfstand zu stellen.

    Tribunale - Plattformen zur Mobilisierung der Friedensbewegungen
    Normalerweise soll durch eine Verurteilung ungesetzlicher Taten auch verhindert werden, daß sie sich wiederholen - Prävention - womit sich der Bogen von den Tribunalen zum Thema der Veranstaltung "Nach dem Krieg ist vor dem Krieg" schließt.
    Ganz allgemein scheint ein zunehmendes Bedürfnis nach solchen Ersatzgerichten zu bestehen. S. ist gerade aus Korea zurückgekommen, wo er als Mitglied einer internationalen Beratergruppe an der sogenannter "Korea Wahrheitskommission" teilgenommen hat, die dabei ist, nachzuweisen, daß im Koreakrieg von den US-Streitkräften (und ihren Handlangern) Massaker verübt worden sind. Dort ist ihm im Zusammenhang mit Protesten der Bevölkerung gegen die andauernde Stationierung von US Truppen klargeworden, daß das Festhalten am Militär, an der NATO, obwohl es nach Beendigung des Kalten Krieges keinen Grund mehr für sie gab, einen ganz anderen Zweck als den ursprünglichen, den der Verteidigung, verfolgt.
    (In diesem Zusammenhang verweist er auf eine aus der amerikanischen Tribunalbewegung hervorgegangene neue Aktion mit dem Ziel "Abolish NATO" und auf Überlegungen in Europa zu einer Art europäischem Bürgerparlament, einer Vernetzung von Friedensgruppen, das sich die Aufgabe stellen soll, ständig die Entwicklung zu beobachten und rechtzeitig seine Stimme zu erheben, wenn sich eine solche Entwicklung wieder anbahnt.)

    Die neue Geschäftsgrundlage der Bundeswehr: Deutsche Sicherheitsinteressen statt Landesverteidigung
    Er kommt dann zu Entwicklung, Neudefinition und Umrüstung der Bundeswehr. Nach dem Ende des Kalten Krieges 1990 hat die Bundeswehr, parallel zu NATO, kontinuierlich daran gearbeitet, sich eine neue Existenzgrundlage zu schaffen.
    1. Phase: Die Suche nach einer neuen Begründung. Daran wurde auch politisch gearbeitet. Rühe schon hat als Erster betont, daß es falsch wäre, die Größe der Bundeswehr nur an einer möglichen Bedrohung zu messen. In der neuen Lage müsse sie eine signifikante Größe darstellen.
    Die Antwort auf die Frage nach der militärischen Notwendigkeit der Bundeswehr fand der Führungsstab der Streitkräfte unter General Naumann: Es gibt neue deutsche Sicherheitsinteressen, die zwar nicht nur aber auch mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden müssen. In diesem Stadium, Anfang der Neunziger Jahre, bestand ja noch das Problem, daß es damals noch Allgemeingut war, daß die Bundeswehr zur Verteidigung da ist. Es war noch schwer, der Bevölkerung gegenüber, die Bundeswehr, trotz Wegfalls der Bedrohung,als noch notwendig darzustellen. Dazu diente dann die Beteiligung an zahlreichen humanitären Aktionen (Kambodscha bis Somalia), die zwar seiner Meinung nach auch rechtswidrig waren, aber nicht als militärische - im Sinne von Artikel 87a - sondern als allgemeine Einsätze - etwa wie THW -hingestellt wurden. Soweit die erste Phase der kontinuierlichen Entwicklung hin zu einer neuen Aufgabenbegründung der Bundeswehr, die durch die verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 markiert wird. Mit dem berühmten Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 wurde die Phase der Unsicherheit abgeschlossen, es wurde so verstanden, daß die Bundeswehr auch an allen denkbaren Einesätzen der UNO teilnehmen darf. Voraussetzung: ein Beschluß des UN Sicherheitsrats, die Einladung der Bundesrepublik Deutschland, daran teilzunehmen und ein Beschluß des Bundestages, daß das geschieht. Dies wurde dann sehr schnell ausgeweitet, so wurden schon damals Einsatzmöglichkeiten vorgedacht, wie z.B. Nothilfe, d.h. Rettung Deutscher im Ausland, was nichts mit UNO Einsätzen zu tun hat, sondern eine rein nationalstaatliche Angelegenheit ist.

    Tatsächlich hat sich aber mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts an der Rechtslage nichts geändert, denn das Gericht hat nicht und konnte auch nicht die Verfassung Artikel 87a ändern, wonach deutsche Kräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit dieses Gesetz es ausdrücklich vorsieht. Deshalb: Alle Einsätze der Bundeswehr - egal ob im Rahmen der UNO oder der NATO dürfen nur zur Verteidigung erfolgen.

    In der Phase danach, deren vorläufiger Endpunkt durch den 24. April 99 markiert wird, als die NATO ihr neues strategisches Konzept erlassen hat, hat sich entwickelt, daß die Bundeswehr nicht nur außerhalb von UN-Missionen an Kampfeinsätzen teilnehmen darf, sondern daß dies regelmäßig vorgesehen ist. Diese Entwicklung hat sich parallel zwischen NATO und Europa vollzogen. Schon die "Petersberger Aufgaben" von 1992 sehen vor, daß auch die WEU in der Lage sein muß und sich darauf vorbereiten soll, Kampfeinsätze zur Wiederherstellung des Friedens durchzuführen. (Amsterdamer Vertrag). Inzwischen ist in der Europäischen Union klar, daß sie sich zu einer Militärunion wandeln und sich in die Lage versetzen wird, selbständige Interventionseinsätze durchzuführen.

    Ein, zwei, viele Kosovos
    Damit ist im Grunde die Verwandlung der Bundeswehr abgeschlossen. Politisch ist für die Bundeswehr nun vorgegeben, daß sie in der Lage sein soll, gemeinsam mit anderen, aber zur Not auch allein, Interventionseinsätze durchzuführen. Die Weizsäcker-Kommission hat das noch quantifiziert und qualifiziert und gesagt, daß die Bundeswehr in der Lage sein muß, an zwei Orten gleichzeitig mit zwei Bataillons-Äquivalenten tätig zu werden. Parallel dazu hat der Bundesverteidigungsminister die Vorgabe zur Umrüstung der Bundeswehr hin zu diesen Fähigkeiten gemacht - Lufttransportfähigkeit, längere Durchhaltefähigkeit. Wobei die eigentliche und rechtmäßige Aufgabe der Bundeswehr, die Landesverteidigung, als eine Art Unteraufgabe angesehen wird Die Bundeswehr wird sich an der europäischen Streitmacht von ca. 180.000 Mann mit etwa 50- bis 60.000 Mann beteiligen. Die ganze Ausrüstung wird darauf ausgerichtet sein, die militärischen Fähigkeiten zu haben überall in der Welt eingreifen zu können, wann immer die eigenen Interessen berührt sind. (Das verweist wieder zurück nach Korea und zu den Bemühungen in Amerika zur Einführung des Nationalen Raketenabwehrsystems und den Beschluß zur Herstellung kleinerer kriegsfähiger Atomwaffen).

    Dagegen wird weltweit mobil gemacht werden, weil es eine neue Form des Kolonialismus ist, nämlich das Aufpfropfen der eigenen Wertvorstellungen - nicht nur der USA sondern zunehmend auch Europas und dabei außer Acht gelassen wird, sich mit den eigentlichen Ursachen von Konflikten auseinander zu setzen.

     
     
 
 
 
          
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