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Michael Chrapa Parteien der Zukunft Inhalt: 1. Zur gegenwärtigen Situation im politischen System und in der Gesellschaft 1.1. "Projekt-Schwierigkeiten" 1.2. Akteursprobleme 2. Parteien im Umbruch 2.1. Externe Faktoren 2.2. Interne Faktoren 3. Parteien-Modelle 3.1. Reaktionen auf Grundwidersprüche 3.2. Modelle 3.3. Der große Kompromiß 4. Parteien und (neue) soziale Bewegungen 4.1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede 4.2. Die 1990er Jahre: Umbrüche auch bei den Bewegungen 4.3. Verhältnis von Parteien und Bewegungen 5. Denkbare und wünschenswerte Modelle für linke Parteien 5.1. Strategische Optionen 5.2. Reformmodelle Ganz kurz zu mir selbst. Ich bin Parteienforscher und Wahlforscher und vertrete das Fokus-Institut. Wir sind ein kleines, seit 1991 existierendes, unabhängiges Institut, das im Jahr etwa 6 - 8 empirische Studien macht, entweder ostdeutschland- oder deutschlandweit. Das ist relativ viel für ein kleines Institut. Wir schlagen uns so durch und wissen, was unabhängige Forschung bedeutet. Der Vorteil ist, daß wir tatsächlich Studien machen können, die wir selber für richtig halten. Das ist ein Stück Freiheit in der Forschung, du kannst Fragen stellen über was du willst. Das ist ein interessantes Spannungsfeld zur Auftragsforschung und das wollen wir auch nicht aufgeben. Ich selbst, bin gegenwärtig stark eingebunden in Beratung zum Wahlkampf, habe mehrere Parteien beraten mit unterschiedlichen Erfahrungen dabei, habe oftmals Widersprüche erlebt, was verständlich ist, denn Politikberater sind nicht nur beliebt. Vor allem sind sie nicht dann beliebt, wenn sie nicht sagen, was Politiker hören wollen. Es gibt bei den Meinungsforschern, sage ich gleich mal, ein ehernes Gesetz. Nun hat Lassalle schon ein ehernes Gesetz entdeckt und ein paar andere auch, aber ich habe auch eines entdeckt: Das ist das eherne Gesetz der Politiker im Verhältnis zu Meinungsumfragen. Ich lege meine rechte Hand ins Feuer: Ich mache eine Umfrage und gehe zu Politikern und die Werte stimmen mit ihren Hoffnungen überein dann sind die froh, nehmen die Zahlen und gehen an die Presse. Und ich mache eine Umfrage und die Werte stimmen nicht mit den Erwartungen überein, dann wird sofort gefragt: stimmt das überhaupt, war die Methodik richtig, war die Stichprobe richtig, wie habt ihr das gemacht. Das klappt immer. Das hat ein wenig zu tun mit der Problematik über die ich heute reden wollte. Ich bin auch eingebunden in der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der PDS nahesteht, aber überparteilich ist, als Leiter eines Gesprächskreises zur Parteienforschung, der seit anderthalb Jahren existiert und wir beschäftigen uns da weniger mit praktisch politischen Fragen sondern mit der Überlegung, wie entwickeln sich Parteien. Vielleicht kann ich davon etwas vorstellen. Ich habe hier ein Papierchen gemacht - wundern Sie Sich nicht, denn mein direkter Forschungsgegenstand sind eher die kleineren und die linkeren Parteien also die Bündnisgrünen oder die PDS. Meine Beispiele betreffen hauptsächlich die PDS. Es geht unter anderem um die spannende Frage, wie ist das denn mit den heutigen sozialen Bewegungen und mit dem was man so als Bewegungsgeflecht kennzeichnen kann.
1.1. "Projekt-Schwierigkeiten" Wie müßte man die Rahmenbedingung für heutige Parteientwicklung charakterisieren. Auch auf die Gefahr hin, das das eine umstrittene Meinung ist würde ich etwa jetzt 2002 mit Rückblick auf die neunziger Jahre sagen: Wir haben auf der einen Seite die Entwicklung dessen, was man das neoliberale Projekt nennt, in Wirtschaft, Politik und Kultur, in verschiedenen Ländern in der Regel vertreten durch konservative Parteien aber auch durch welche des dritten Weges. Wenn man sich Blair ankuckt und meinetwegen seine Partnerschaft zu Gerhard Schröder, dann sieht man die Vertretung eine gemäßigten neoliberalen Projektes und wir sehen auch, dass es Spannungen gibt zwischen den sozusagen direkten Vertretern des neoliberalen Projektes und den gemäßigten. Gleichzeitig, ohne hier in irgendwelche Fantasien zu geraten, würde ich sagen, so wie sich dieses Projekt in der Mitte der 90er Jahre oder so bis etwa 1999 darstellte, als Durchmarsch, als quasi unwiderstehliche Kraft, sieht es jetzt, Anfang des neuen Jahrtausends nicht mehr aus. Das neoliberale Projekt wird herausgefordert, auf der einen Seite von links, durch verstärkte Konflikte, die sich auf nationaler Ebene zeigen, beispielsweise durch gewerkschaftliche Aktionen. Das was die Gewerkschaften tun ist auch ein Reflex auf dieses Projekt, weniger in Deutschland aber zum Beispiel in Italien. Und es wird herausgefordert, in einer wahrscheinlich noch nicht gänzlich erkannten Weise, von rechts durch rechtspopulistische und antieuropäische Strömungen. Die sind, wenn Sie mich fragen, stärker, als wir gemeinhin annehmen. Es ist heute möglich, Leute aufzuwiegeln mit nationalistischem, antieuropäischem Zeug. In den Köpfen vieler steckt das drin. Das haben wir 99 schon mal publiziert. Ich habe damals zum Spaß Brecht zitiert aus "Fatzer", der hat gesagt, "Wie einst die Geister kamen aus Vergangenheit" - wie man heutige Konflikte aus der Vergangenheit erklären könnte - "so jetzt aus Zukunft ebenso" und da habe ich gesagt, wenn sich bestimmte europäische Ideen nur konfliktär durchsetzten, wenn die Leute Angst kriegen davor, wenn sie unsicher sind, wenn sie vor den Institutionen Angst haben, wenn sie vor dem Euro Angst haben, wenn sie glauben, das schlägt jetzt wirklich sozial negativ durch und wenn dann noch immer die Frage kommt: Und so soll es weitergehen? Dann gewinnt auch billiger Rechtspopulismus mit nationalistischen und faschistischen Untertönen Schwung. Und ich meine, das sind nicht nur Looser oder pauperisierte Schichten, das reicht weit in die Gesellschaft hinein. Frankreich und die Niederlande sind nur ein Beispiel - wir haben ja diesen Rechtspopulismus in allen europäischen Ländern. Für Deutschland habe ich vor den Bundestagswahlen die These, daß zwar die großen Parteien ein ähnliches Projekt haben, aber machtpolitisch konkurrieren und sich - die Umfragewerte sehen etwas anders aus - in einer Art Patt befinden. Ich meine, daß Deutschland in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre und auch jetzt kein Aufbruchsprojekt hat, sondern eher eine Pattsituation der großen Akteure. Keiner kann was durchsetzen, ohne dass der andere seine Vetomacht spielen läßt. Es setzt sich ein "muddling-through", ein Durchwurstel-Szenario durch mit konservativen Elementen. Vor diesem Hintergrund und das kann ich nun als Wahlforscher beweisen, haben wir zwei wichtige Tendenzen. Die gibt es schon länger, mindestens fünf Jahre empirisch nachgewiesen, es gab sie auch schon früher in verschiedenen Wellen, sie haben aber jetzt ein Ausmaß angenommen, das mich sehr bedenklich stimmt: Einmal die Stärke der Wählerfluktuation. Wir haben 1997 gemessen, daß die Zahl der Stammwähler, die sich mindestens über eine Legislaturperiode binden, dauerhaft kleiner geworden ist als die Summe der Wechsel- und Nichtwähler. Der Anteil der Stammwähler ist unter 50 Prozent gefallen. Das hat es früher in der Bundesrepublik nie gegeben. Dieser Trend ist etwa in der Mitte der neunziger Jahre entstanden und er ist ungebrochen. In Sachsen-Anhalt bei der Landtagswahl, war es noch viel schlimmer. Die SPD hat nur 30% ihrer Stammwähler behalten. Das muß man sich mal vorstellen. Das bedeutet - Guido Westerwelle hat es jetzt als Novum verkauft - jede Partei muß damit rechnen: vor der Wahl wird neu ausgehandelt, mindestens die Hälfte entscheidet sich erst dann. Keine Partei kann sicher sein zu gewinnen, auch bei guten Umfragewerten. Es sind sicher 20 bis 30 Prozent vor den Wahlen unentschlossen. Zu den Gründen später noch kurz. Man kann darüber traurig sein. Ich sage es mal etwas bissig: Mitunter wird es, weil dieser Trend im Osten stärker ist als im Westen - logisch wegen geringerer Parteibindung - als ein Element von Rückständigkeit interpretiert. Die Kollegen hätten irgendwie noch nicht richtig verstanden, wie das politische System so funktioniert. Der Grundtrend ist in ganz Deutschland so - im Westen etwas abgebremst - aber es wird immer seltener, dass eine bestimmte Milieubindung, konfessionell oder sozioökonomisch automatisch für größere Menschenmengen Wahlverhalten prognostiziert. Wie es eben in den 50er Jahren war im Ruhrpott: Opa war SPD, Vater war SPD, ich bin Juso und dann auch SPD und ich wähle SPD oder konfessionell gebunden CDU/CSU oder was auch immer.
Zum Anderen - und das wäre ja wieder positiv zu bewerten, auch wenn es für Parteiestrategen Schwierigkeiten mit sich bringt - bemerken wir seit einigen Jahren, dass die politischen Eliten im Ansehen sinken. Es gab immer so etwas wie Politikverdrossenheit und immer so etwas wie Parteienverdrossenheit. Aber daß dieser Trend sich als tatsächlich rationale Entscheidung in die Mitte der Gesellschaft bewegt, das es nicht nur Protestwähler sind, die sagen, ich habe die Schnautze voll, oder welche, die sagen, ich kann mich nun mal nicht entscheiden und da halte ich mich lieber zurück, sondern daß es eine artikulierte Anti-Haltung gegen die Akteure des politischen Systems und gegen die herrschenden Eliten gibt, verschärft den Trend der Unentschiedenheit vor Wahlen und bringt Parteien aktuell in schwierige Situationen. Es existiert aber auch so etwas wie eine undifferenzierte Ablehnung. Ich habe das selber lange Zeit nur als situativ gedeutet, komme aber mehr und mehr dazu, dass man damit rechnen muß, daß dies ein Muster ist, wo viele sagen: Mit diesen Akteuren nicht mehr. Ich habe mit Arthur Fischer diskutiert, der die Shell-Studie macht, der hatte als die Spendenaffäre kam (die von Helmut Kohl) als Nachsatz der letzten Shell-Studie Jugendliche interviewt und gefragt, was haltet ihr denn von dieser Korruptionsaffäre. Und da waren die überhaupt nicht aufgeregt. Er war selber ganz verwirrt. Warum regen die sich darüber nicht auf? Da haben die gesagt: Ist doch völlig klar, Politiker sind alle korrupt, die einen mehr, die anderen weniger, aber die sind sowieso alle korrupt. Das hat den so erschreckt, weil er dachte, die nehmen Politiker noch richtig ernst und sagen der eine ist gut, der andere ist böse. Aber für die war das eine Kaste.
Seit langem diskutieren Parteienforscher verschiedener Couleur, daß sich die Parteien in einer Umbruchsphase befinden. Das wird manchmal ein bißchen überhöht, um das eigene Forschungsgebiet aufzuwerten und "Umbruch" klingt immer gut, aber in der Tat ist es so: Die großen und kleinen Parteien haben alle in den 90er Jahren Maßnahmen beschlossen, die man unter Parteireform, innere Veränderung, Umstellung und Modernisierung verkaufen könnte. Das sind verschiedene Ziele, dazu komme ich noch, und sie waren unterschiedlich erfolgreich. Aber was sind die Faktoren, die wir unbedingt nennen müssen? Das eine habe ich bereits angedeutet: Wir können davon ausgehen - und das beginnt in den 60er Jahren - dass mit dem, was man nun Modernisierung oder zweite Modernisierung oder wie auch immer nennen könnte, die Auflösung traditioneller Milieus und höhere Mobilität in der Gesellschaft einhergehen. Das kann man empirisch nachweisen. Es sinkt diese Milieubindung nahezu überall. Ein zweiter Faktor, der von außen kommt, begann Mitte der 80er wirksam zu werden mit dem Privatfernsehen und ganz deutlich mit dem Internet in den 90er Jahren. Das ist das mediale Angebot, das was man Mediengesellschaft nennt. Das stellt Parteien in ihrer Außenwirkung vor etwas Neues. Hinzu käme jetzt drittens vielleicht noch diese wirtschaftliche Stagnation, wo im Grunde ein Aufbruch notwendig wäre, einer, der die Frage der Arbeit nicht nur weiter hinausschiebt, sondern neu definiert. All diese Dinge bringen die Akteure unter Druck, man muss sich positionieren und man weiß nicht so richtig wie. Vom wechselnden Wahlverhalten habe ich schon gesprochen. Die internen Faktoren hängen damit zusammen. Von Klassenparteien konnte man seit Mitte der 50er Jahre nicht mehr sprechen. Es vollzog sich der Trend zu Volksparteien und die Parteien standen im Kampf um die Mitte. Wo man sich nicht mehr auf die angestammten Milieus verlassen konnte, wo also beispielsweise die SPD feststellen mußte, sie konnte sich nicht mehr beliebig auf das Arbeitermilieu stützen, sondern mußte auf weitere Milieugruppen kucken, da entwickelte sich das, was man eine "Catch-All-Strategie" nennt. Das heißt, die Parteien mußten ihr Themenspektrum erweitern. Sie konnten nicht mehr sagen, ich thematisiere zum Beispiel nur rein Soziales, im Sinne eines sozialdemokratischen Konzeptes, sondern ich muß Wählergruppen und Wählerschichten auch mit anderen Themen erfassen. Dann kam noch die Herausforderung durch die Grünen, was auch das Spektrum erweitert hat. Insgesamt bewirkte das, daß die Parteien innerlich umrüsteten. Auf der einen Seite begann seit den 60ern und in den 70ern die Stagnation der Mitgliederzahlen. In den 90er Jahren ist ungefähr ein fünftel der Mitgliedschaft der Parteien verschwunden. Wir haben immer noch 1,65 Millionen Menschen, die in Parteien organisiert sind, aber es waren schon einmal 2,2 Millionen. Alle haben das Problem, daß der Jugendanteil sinkt. Das ist sozusagen der backlash der 60er Jahre, als noch praktisch generationsweise traditional in den Parteien Nachwuchs kam. Das ist seitdem nicht mehr so, was sich mit 20 Jahren Verzögerung jetzt auswirkt. Alle haben das Problem, daß Frauen schlecht repräsentiert sind. Da Aktuell ist da noch das Problem, daß die Parteienfinanzierung schwieriger wird, Affären, die das alles ans Licht bringen, rechtliche Beschränkungen. Die großen Apparate werden schwerer finanzierbar.
Aus beiden Gründen, wegen der sozioökonomischen und kulturellen Faktoren und wegen dem inneren Zustand überkommen aus den 60er Jahren - zur PDS komme ich später, die hat ja eine andere Geschichte - stehen die Parteien, ob sie es wollen oder nicht, vor der Herausforderung einer Modernisierung. Da gibt es unterschiedliche Konzepte und die haben auch mit den politischen Bewegungen zu tun. 3.1. Reaktionen auf Grundwidersprüche
Die Parteien müssen auf Grundwidersprüche reagieren, eigentlich auf einen Grundwiderspruch, aus dem sich andere ableiten. Das ist der Widerspruch zwischen der einen Seite, das die Parteien von ihrer Entstehung her Mitgliederparteien gewesen sind - von den Grünen mal abgesehen, aber die großen Parteien - und das auch bleiben wollen, auf der anderen Seite aber als Reaktion auf die Herausforderungen der 80er und 90er Jahre große Parteiapparate geschaffen haben, auf Technologie gesetzt haben, auf professionelle Beratung, sich mit Stiftungen, Forschungsinstituten und anderen Institutionen umgeben haben. Wir haben im Grunde diesen alten Widerspruch, den ich hier in der Übersicht 1 sozusagen zwischen alten und neuen Mitgliederparteien aufgerissen habe. Alle Parteien überlegen, in welcher Hinsicht können wir Mitgliederparteien bleiben und was bedeutet das heutzutage und in welcher Hinsicht würden wir vielleicht einen anderen Parteityp anstreben. Ich greife mal vor: Überlegungen wie Parteien überhaupt entstanden sind. Im Grunde sind sie hier in Deutschland im 19ten Jahrhundert auf zwei Wegen entstanden. Einmal im Vormärz dadurch, daß sich Bürgerparlamente bildeten, die sich untersetzt haben mit Assoziationen, die diese Parlamente mit Stimmen bedienten. Also die Fraktionen der Parlamente waren ein Kristallisationspunkt für die Entstehung liberaler, konfessioneller oder anderer Parteien. Der zweite Schub im 19. Jahrhundert ging von den Organisationen der Arbeiter aus, die dann Klassenparteien - wenn man so will - bildeten. In beiden Fällen entstanden Mitgliederparteien, wo es eine Dreiteilung gab und gibt: Da ist das einfache Mitglied, das sich kaum vom Wähler unterscheidet aber zahlendes Mitglied ist und zu Parteiveranstaltungen geht. Dann ist da diese berühmte Mittelschicht in allen Parteien. Das sind sowohl Aktivisten als auch welche, die in dem Mittelbau der Apparate und Parteikörperschaften arbeiten. Und dann die Spitze als Repräsentanten, Mandatsträger und Spitzenpolitiker. Zwischen diesen Schichten besteht ein Spannungsverhältnis. Gegenwärtig ist die Frage, wie geht man mit dem Status als Mitgliederpartei um unter den Bedingungen der Aufgaben, die sich einer Partei im politischen System stellen, nämlich politische Willensbindung zu betreiben, Macht auszuüben, um Macht zu kämpfen. Infolge des Aufkommens neuer Technologien und anderer Umbrüche gab es die Auffassung, das die Mitgliederpartei ein Auslaufmodell ist. Man hat also verschiedene Parteienmodelle entwickelt. Ich möchte die mal ganz kurz erläutern und dann sagen, was bisher daraus geworden ist.
Der große Kompromiß wäre der, festzustellen, daß es bislang keinen Ersatz für die Mitgliederpartei gibt. Auch aus parteifinanziellen Gründen. Die großen Parteien kriegen etwa ein Drittel bis ein Viertel ihrer Gelder aus Mitgliedsbeiträgen auf die man nicht ohne weiteres verzichten kann. Eine völlige Umrüstung oder die - ich sags mal zynisch - die Entmündigung der Mitglieder zu reinen Parteisoldaten und Stimmviehanschleppern, das funktioniert nicht. Auch weil es innerhalb der Parteien Widerstand gibt gegen Apparate und gegen Bürokratisierung und gegen entfremdete Berufspolitiker. Da jede Partei einer gewissen Zustimmung ihrer Mitglieder bedarf, die sie wählen und für Funktionen vorschlagen und bestätigen, ist da auf rein technologischem Weg nichts zu machen. Da gab es eigentlich eine ähnliche Projektion wie beim Internet und der New Economy, wo man annahm, daß eine technische Entwicklung eine Gesellschaft automatisch umstülpt. Wenn Sie mir nicht glauben, schauen Sie mal Zeitungsartikel aus der Mitte der 90er Jahre an. Welche Projektionen man ans Internet geknüpft hat, welche grundsätzlichen gesellschaftlichen Erwartungen. Was man an die New Economy geknüpft hat und im Grunde wußte jeder, daß das mit diesen spekulativen Gewinnen nicht gut gehen kann. Trotzdem war da dieser Boom und man brauchte bloß dem Trend zu folgen. Realistisch betrachtet sind sich die meisten Parteien einig. Sie werden weiter Mitgliederparteien bleiben und auch ihren Charakter als Volksparteien betonen. Gerade eben sogar von Guido Westerwelle betont: Auch die FDP will eine Volkspartei werden. Also auch ein "Catch-all" Ansatz: Wir besetzen alle Themen, wir sind keine Klientelpartei mehr, wir öffnen uns in die Gesellschaft und bieten uns als Alternative an für alle Wünsche und alle Projektionen. Das hat, wenn Sie mich fragen, durchaus Chancen, vielleicht nicht ganz in dem Ausmaß, wie sich die Kollegen von der FDP das denken, aber es hat durchaus Chancen. Der große Kompromiß ist also der, daß man auf der einen Seite beginnt, die Apparate zu rationalisieren und gleichzeitig sagt, es muß soetwas wie modernisierte Mitgliederparteien weiter geben. Diese generelle Traditionalisierung des Mitgliederbestandes oder die Annahme, das wäre nur so ein Weiterschleppen aus der Arbeiterbewegung oder dem 19ten Jahrhundert, das haben die meisten Parteistrategen aufgegeben. Jetzt überlegt man, wie man Mitgliederparteien beibehält, sie modernisiert und gleichzeitig die Kompetenzen, Kompetenzkerne und deren Ausstattung damit verknüpft. Manche sagen, die ideale Lösung ist der Internet-Dialog, das sagt auch Elmar Wiesental als großer Experte. Er sagt das ist der Kompromiß, daß die Leute einerseits weiter unter dem Volke sind, andererseits aber übers Internet verbunden. Ich selber bin da skeptisch.
4.1. Gemeinsamkeiten und UNterschiede Ein paar Worte zum Verhältnis der Parteien zu den neuen sozialen Bewegungen. Attac war ja als Stichwort schon angesprochen. Ich meine, daß zu dem Bewegungsgedanken in den 90er Jahren mehreres zu sagen ist. Einmal muß man der Wahrheit halber sehr genau unterscheiden, was sich in den linken und was sich in den rechten Bewegungen tut. Aus meiner Sicht, da wo ich herkomme, sind die am besten funktionierenden Bürgerinitiativen die der Rechtsextremen. Sie fangen eine Menge Leute ein und da funktioniert ein Bewegungselement auf der Basis von Lebensstilkomponenten. Die brauchen nur Musik zu spielen, kriegen viele Leute zusammen und können zu Aktionen aufrufen. Brauchen die nicht in Mitgliedschaften zu binden, brauchen die keinen Beitrag zahlen zu lassen, die kommen trotzdem wieder. Wie sieht es bei den linkslibertären Bewegungen aus. Da müßte man sagen, gab es in den 90er Jahren sowohl etwas wie einen Niedergang, weil bestimmte Themen über Verbände und Regierungspolitik aufgenommen wurden, ich denke da z.B. an die Umweltpolitik. Ich finde es also beispielsweise richtig tragisch, daß die Grünen ein Jahrhundertthema aufgenommen haben und jetzt eigentlich die Verlierer sind. Sie haben das Thema nicht halten können. Insofern gab es auf der einen Seite einen relativen Abschwung der Bewegung, so etwa bis zum Kosovo-Krieg, wo bestimmte Themen versickerten, wo sie vom Ende des Ost-West-Konfliktes überlagert wurden. Ende der 90er Jahre gibt es, meiner Ansicht nach, einen neuen Schwung sozialer Bewegungen sowohl über die ganze globalisierungskritische Szene, die ja eine Mischung ist aus Netzwerken und Einzelaktivisten, und Elementen der Friedensbewegung. Ich selber bin skeptisch, ob sich Attac so gradlinig entwickelt. Ich habe kürzlich mit Bernard Cassen diskutiert, der Attac mitgegründet hat. Der hat gesagt, jeden Monat tausend neue Mitglieder, das geht so weiter, das wird exponentiell steigen. Organisationssoziologisch ist das sehr natürlich unwahrscheinlich, daß es so weiter geht. 4.2. Die 1990er Jahre: Umbrüche auch bei den Bewegungen Es gibt aber diesen Aufschwung. Viele haben gehofft, auf der Gegenseite sozusagen, daß nach dem 11. September die Globalisierungskritische Bewegung radikal abnehmen würde. Der Guardian hat nach dem 11. September getitelt "Bye bye Genova", weil alle davor Angst hatten, daß es heißen konnte, jeder, der nach dem 11. September noch auf der Straße demonstriert sei ein verkappter Bin-Laden-Anhänger. Es ist das Gegenteil eingetreten. Das neue an dieser Bewegung ist weniger, daß es da eine Reaktion auf die Globalisierung gibt, sondern A) wie vielfältig diese Bewegung geblieben ist, ohne bei allen Widersprüchen auseinanderzufallen und das B) mit welcher Radikalität Themen und Fragen aufgeworfen werden. Im Grunde ist doch die Losung "Die Welt ist keine Ware", eine ganz tiefgreifende alte soziale Frage, die auch eine marktwirtschaftlich verfaßte Gesellschaft in Frage stellt. Es ist in der Tat so: Jetzt kann man endlich wieder solche Fragen stellen, die man vorher wegen unmodern und uralt und interessiert keinen mehr, nicht konnte. Dieser Aufbruch, der nicht bloß auf eine Region beschränkt bleibt, sondern der weltweiter Reflex ist auf diese globalen Märkte und des globalen Verhältnisses, den halte ich für außergewöhnlich bedeutsam. Auch wenn das nicht linear so weitergeht und ins Stottern kommt. Hier kommt es sehr auf die Leistungen Einzelner an, die wissen, in welche Fallen man tappen kann, wenn das nicht Ereignisgebunden ist, wenn es thematisch verengt wird. Bisher glaube ich, ist der Zenit nicht überschritten. 4.3. Verhältnis von Parteien und Bewegungen Jetzt stellt sich die Frage: wie verhalten sich Parteien zu dieser Bewegung. Man muß auch sehen, was haben Parteien und Bewegungen gemeinsam, wo bleiben Differenzen. Verkürzt: Gemeinsam haben sie, daß beide kollektive Akteure sind. Es gibt so eine Studie "Der organisierte Mensch in der Bundesrepublik Deutschland", die besagt, Netzwerke oder soziale Bewegungen, Verbände - hierzu zählen auch die Gewerkschaften - und Parteien sind drei Formen kollektiver Akteure mit unterschiedlichen Interessen, unterschiedlicher Organisationsdichte und -prinzipien. Sie haben gemeinsam, daß sie Interessen artikulieren, aber es gibt auch große Unterschiede. Einer der gravierendsten besteht zwischen Parteien und den sozialen Bewegungen. Die einen, die Parteien, sind qua definitionem machtorientierter. Sie handeln im politischen System, müssen Wählerstimmen sammeln, müssen sich artikulieren im Parteienwettbewerb und sind sozusagen in die Richtung gedrängt, daß sie dann auch Macht übernehmen. Die Systemtheoretiker sagen, das ist das einzige, was Parteien machen. Sie kämpfen um Macht. Sie sind machtorientiert, wogegen die sozialen Bewegungen ja eigentlich die Aufgaben haben, ausgegrenzte Interessen, Minderheitsinteressen, zu thematisieren oder vernachlässigte Kollektivgüter, wie zum Beispiel die Umwelt, ebenfalls auf die Agenda zu setzen. Sie sind themenorientiert, lebenskulturell orientiert, haben ein ganz anderes Organisationsschema und sind zunächst einmal nicht machtorientiert. Sie haben ein anderes Organisationsschema, sie sind benutzerfreundlich, denn in einer Bewegung brauche ich keinen Beitrag zu bezahlen und muß nicht immer zu irgendwelchen Versammlungen rennen. Das ist aber auch wieder ein Nachteil, weil ich keine direkte Verpflichtung habe. Wie ist das Verhältnis zwischen Parteien und Bewegungen? Ich meine schon, daß es eine Parallelität gibt und keine Vermischung. Aber sie profitieren voneinander und reagieren auch aufeinander. Ein Beispiel: Die SPD hat in ihrer Entwicklung im Grunde von der außerparlamentarischen Opposition profitiert. Auch personell. Es sind Leute aus der APO in die SPD gegangen, mitunter mit dem Marsch durch die Institutionen im Kopf, und wenn man sich einige Spitzenpolitiker ansieht, sind manche ja damit recht weit gekommen. Das ist die Aufnahme. Eigentlich die wichtigste Wirkung, die soziale Bewegungen auf Parteien haben, ist die Thematisierung. Das Parteien gezwungen werden, Themen aufzugreifen und unter dem Druck der Bewegung gar nicht mehr anders können. Parteien können von sozialen Bewegungen auch profitieren als Gegnerschaftsprofit. Die CSU kann zum Beispiel von dem komischen Verhältnis zwischen dem Bewegungsflügel bei den Grünen und der SPD profitieren. Bewegungen können sich in Parteien verwandeln, siehe Grüne, oder darin wirken und Parteien können sich Bewegungen öffnen. Das wäre, was hier unter "Bewegungspartei" steht, aber ich glaube nicht, daß auf Dauer eine Partei in Gänze eine Bewegung bleibt. Man kann das aber immer wieder versuchen, und es ist jetzt zu überlegen, in welchem Verhältnis kann sich eine Partei, die den Themen der Bewegung entspricht, verhalten. Da gibt es mehrere Ansätze. Eine Idee stammt von Raschke. Der sagt: Das beste Verhältnis zwischen Partei und Bewegung ist das der Reziprozität. Man bezieht sich gegenseitig aufeinander unter Achtung der Selbständigkeit des anderen. Das Verhältnis zwischen Partei und Bewegung könnte sein: Wir sind uns ähnlich, aber wir bleiben verschieden. Wir respektieren diese Verschiedenheit und wir tauschen Güter, wovon beide profitieren. Diesem Gedanken kann ich mich nicht ganz verschließen. Ich habe versucht, einige Anforderungen an linke Parteien im Verhältnis zu sozialen Bewegungen zusammenzuschreiben. Ich habe mal linke Parteien genommen, weil die ja den Bewegungen näher sind, wobei das Verhältnis - ich sage das ohne jede Polemik - auf der rechten Flanke zwischen rechten Bewegungen und konservativen Parteien durchaus funktioniert. Da wäre einmal die Thematisierungskoordination. Eine Partei darf nicht das Thema besetzen, sie muß anerkennen, wer es eingebracht hat und muß das auch darstellen. Innerhalb der Parteien braucht es eine nachhaltige, öffentliche Positionsbestimmung gegenüber den sozialen Bewegungen. Das sehe ich höchstens noch bei den Grünen, bei der PDS überhaupt nicht. Soweit ich die PDS kenne, bestehen drei nicht sehr produktive Positionen. Die erste lautet: wir ignorieren die Bewegung schlechthin, die stört eigentlich nur. Die sind zu chaotisch oder zu unverständlich. Das ist auch die eigene Unsicherheit, sich mit solchen Leuten auseinanderzusetzen, weil man das ja nicht kann und nicht gelernt hat. Geht bis weit in die Führungsspitzen, genauso wie die zweite Position. Die heißt: Da wir ja in Richtung Regierungebeteiligung schielen, wäre es richtig böse, wenn wir uns mit Genua-Demonstranten sehen lassen würden. Also Distanz, denn unsere Koalitionspartner würden das gar nicht gerne sehen. Distanz zu den Bewegungen aus machtpolitischen Gründen halte ich für außerordentlich gefährlich. Die dritte Position enthält eine Überlegung, die ich nachvollziehen kann: Am besten, die PDS verwandelt sich selbst in eine Bewegung. Da sind wir unter Gleichen und können miteinander richtig rummachen. Ich hatte vorhin angedeutet, daß dieser Gedanke, auch wenn er mir sympatisch ist, nicht praktikabel ist. Eine Partei gibt sich selber auf, wenn sie sich in eine Bewegung verwandeln will. Sie muß ein anderes Verhältnis finden. Darüber muß man also diskutieren. Das findet aber kaum statt. Da meldet sich vielleicht mal einer und sagt irgendwas über die Globalisierungsgegner, aber die innere Diskussion fehlt. Es könnte intensiven und sehr respektvollen Kontakt und Informationsaustausch geben. So wie ich die Bewegungsaktivisten kenne, beispielsweise Bourdieu, gibt es da welche, die eine richtige Parteienphobie haben. Viele dieser Leute wittern die Vereinnahmung noch bevor sie überhaupt geschehen ist. Es gibt eben auch die sozusagen revolutionstheoretischen Konzepten folgende Vereinnahmungsstrategie. Wir nehmen uns die Bewegung und instrumentalisieren sie zur Gewinnung von Wählerstimmen. Das wäre natürlich falsch. Ich glaube aber, daß ein Informationsaustausch, ein Wissensaustausch, eine Positionsbestimmung immer im Wissen um mögliche Distanzen sehr nützlich wäre. Eine Partei könnte durchaus parallele Aktionen und Projekte durchführen, die sich in der Realität vermischen und überschneiden mit Bewegungen. Keiner Partei ist es verboten, eine Antiglobalisierungsdemo zu machen oder eine Friedensdemo zu machen und wenn das sich mischt mit Bewegungen dann findet man sich gemeinsam in Aktion, was nicht bedeutet, der eine springt beim anderen mit auf. Außerdem ist es natürlich nicht verboten, sondern erwünscht, daß Personen aus Parteien in Bewegungen selber aktiv sind, ohne daß sie die Fahne der Partei schwenken und sagen, jetzt haben wir die Bewegung erobert. Dieses personengebundene Engagement muß in den Parteien respektiert werden. Auch hier sind meine Eindrücke, daß es zum Beispiel große Teile der PDS gibt, wo das eher karrierehemmend wirkt.
5.1. Strategische Optionen Ich glaube, daß vor allem was die Punkte "Thematisierung" und "Austausch" betrifft, sich für die Zukunft ein weites Feld im Verhältnis zwischen Parteien und Bewegungen ergeben könnte. Parteien dürfen selbst nicht unbeweglich bleiben. In welcher Hinsicht könnten Parteien eigene, innere Entwicklungsreformen vorantreiben? Wie ich schon erwähnt haben, gibt es von CDU und SPD Grundsatzbeschlüsse hierzu aus der Mitte der 90er Jahre. Da ging es im wesentlichen um die gleichen vier Punkte, die nur unterschiedlich genannt wurden: Einmal um die Gewinnung neuer Mitglieder, zweitens um das Gewinnen junger Menschen, drittens um die Erhöhung des Frauenanteils in den Parteien und bei Mandatsträgern und Funktionären, und dann um die Möglichkeit Parteien zu öffnen für Seiteinsteiger und Nicht-Parteimitglieder als Mandatsträger. Gleichzeitig gibt es ganz verschiedene Modelle und Forderungen zur inneren Demokratisierung der Parteien. Das betrifft die Stärkung der Minderheitenrechte, das betrifft sogar den Zugriff einzelner auf die Mitgliederkarteien der Partei. Da gab es bei der CSU mal ein Grundsatzurteil, daß das einzelne Mitglied nicht die gesamte Mitgliederkartei einsehen darf, der Grund war Unterschriftensammlungen zu verhindern. Bis hin zu solchen Sachen, daß Schiedskommissionen durch das Los zu wählen sind, damit nicht Mehrheitsgruppen sie nicht manipulieren können. Bis dahin, daß das Beschwerderecht bei Schiedskommissionen an staatliche Gerichte weitergeleitet werden kann, um juristische Mittel in die Parteien einzubringen.Es gibt eigentlich zweierlei Arten von Schwierigkeiten bei Parteireformen. Einmal ist eine Partei ein unglaublich komplexer Mechanismus der zwar auf äußere Faktoren reagiert, der aber nicht beliebig umgebaut werden kann. Dazu sind die Apparate zu komplex, die Menschen zu widerständig. Die haben ihre eigene Dynamik in den örtlichen Gliederungen. Eine Partei ist nicht beliebig gestaltbar. Ich kann nur Tendenzen verstärken. Überlegungen, man könne eine Parteireform aufschreiben und mit Gewalt durchsetzen, halte ich für illusionär. Soetwas kann nur langsam wachsen. Zum zweiten fragt sich, ob Parteireformen wirklich gewollt sind, ob sie von innen wirklich machbar sind. Denn wer soll denn diese Parteireform wirklich umsetzen? Wenn es die Führungskräfte einer Partei sind, ist es sehr unwahrscheinlich, daß die sie mit großer Konsequenz betreiben. Denn auch innerhalb der Parteien gibt es den Kampf um Machtpositionen und jede Parteireform stellt die in Frage. Deswegen habe ich erfahren, bei allen Ansätzen in der SPD und PDS, daß Parteireform immer halbherzig betrieben wurde. Unter Vorbehalt. Und Urabstimmung - bloß nicht, das ist zu gefährlich. Es sollte schon in die Gesamtstrategie passen, und die war für einige auch Machterhalt. Ich hätte sechs Vorschläge zu einer Parteireform.
Zwei Bemerkungen zum Schluß: Es gibt parallel ein Modell von Christian Zeitz aus Österreich. Der sagt folgendes: Die Parteien haben noch das Politikverständnis vom Zeitpunkt ihrer Entstehung und sie blockieren sich selber durch die Logik der Parlamentarier, der Vorstände, und das muß man aufbrechen. Die Partei der Zukunft muß ganz anders aussehen. Er hat vorgeschlagen, einen normalen Parteiapparat mit Mitgliedern usw. und parallel dazu ein davon abgehobenes Strategiezentrum, eine Art Programmkommission, ein theoretisches Zentrum, das von der Alltagspolitik getrennt ist und über die theoretischen Leitlinien und die Logik der Partei nachdenkt und aufgrund dessen Richtlinien erläßt und Ziele, die an den Vorstand weitergegeben werden, der sich dann innerhalb dieser Richlinien bewegen muß, bei einem großen eigenen Gestaltungsspielraum. Er meint damit so etwas ähnliches wie diese reflexive Gruppe: Es muß der inneren Logik des Apparates etwas entgegengestellt werden.
Zuletzt: Natürlich existieren diese Parteireformmodelle nicht im luftleeren Raum. Sie sind auch bestimmt durch das, was Parteien strategisch vorhaben. Ich habe aus meiner Kenntnis versucht, am Beispiel einer Partei, der PDS, Entwicklungsvarianten zu denken. Das ist die Übersicht 2. Der Grundgedanke ist: eine Partei hat nicht 50 verschiedene Entwicklungsoptionen. Sie hat aber auch nicht nur eine. Sie hat mehrere. Eine steht zum Beispiel nicht hier drauf: Das wäre, sie macht einfach weiter, wie bisher. Fände ich jetzt nicht so gut. Vier Entwicklungsvarianten habe ich hier zusammengestellt.
In der Realität vermischt sich das und man kann überlegen, wo führt welches Mix hin. Ich persönlich wäre für Variante B im Fall der PDS. Parteien müssen sich klarer werden über ihr strategisches Profil und müssen sich mal mit Alternativen und verschiedenen Optionen beschäftigen und in diesem Kontext überlegen, wie sie ihre eigene Entwicklung und wie sie ihr Verhältnis zu sozialen Bewegungen gestalten. Auch die PDS muß sich dem stellen, weil Wahlergebnisse keinerlei Sicherheit bieten und Prognosen schon gar nicht und wenn sie im bundesdeutschen System noch eine Rolle spielen will, muß sie über diese Dinge sehr energisch nachdenken. Die Grünen müssen das ebenso. Ich weiß nicht mit welcher Ruhe Joschka Fischer bei Erich Böhme über die 16. Wahlniederlage hinwegplauderte und sagte, die Menschen haben uns nicht verstanden. Ich muß mich dazu verhalten, daß Leute aufhören, mich zu wählen. |
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